Die Bruderschaft der Kater (2): Die Abreise…

Beitr

„Höllische Geschwindigkeit…
Scharmützel mit der California Highway Patrol…
mano a mano auf dem Highway 61“
(Hunter S. Thompson)

„Nu steig schon ein, Alta…“, dröhnte Carlos Stimme und ließ die Fensterscheiben beiderseits unserer Straße vvvvvvibrierrrrren. So sprang ich also auf den Beifahrersitz, und ein Plopp und Zisch ließ mich nach hinten sehen: Scratchy war mit einer Kiste Bölkstoff auf der Rückbank verstaut worden und reichte Carlo die – sicher nicht erste – Flasche des Tages nach vorn. „… – wolln ja keene Wurzeln schlagen hier, wa?“ Ein
Schluck aus der Pulle, „Örkhs!“, ein Zug von seinem Monsterjoint, und dieser Chaoskater trat das Gaspedal durch, und wir brausten los.

Der Kofferraun sah aus wie ein mobiles Labor des Drogendezernats. Wir hatten zwei Beutel Gras, sechzig Kügelchen Mescalin, fünf Bögen Acid, einen Salzstreuer voll mit Kokain und eine ganze Palette vielfarbiger Tinkturen; Upper, Downer, Heuler, Lacher, Kracher: Tritheminsulfid, Netraticin, Theobromin, Tastacitin, Tottelyin; einen Karton
Wodka-Flaschen, 10 Kisten Schultheiss sowie eine Halbliterflasche Baldrian-Extrakt und zwei Dutzend Knick & Riech.

Die Nacht zuvor hatten wir den ganzen Scheiß in Moabit zusammengekratzt, von der Quitzow- bis zur Werftstraße und von der Döberitzer bis zur Huttenstraße jedes Drogennest leergekauft und schnappten uns alles, was wir greifen konnten. Man konnte ja nie wissen, wozu das alles noch mal zu gebrauchen wäre.

Bremer-, Birken-, Beusselstraße, Beusselbrücke, Stadring Süd…, Carlucci drehte das Radio voll auf, „Radio Unerhörtes Marburg“ plärrte Dylans „Hey Missa Tam´rine-Man!“, und die große Reise hatte begonnen.

„Baunomaeen!“ jaulte Carlos Stimme, und recht hatte er, bei seiner agressiven Fahrweise konnte man jede Beruhigung gut gebrauchen.

Echte Sorge hatte ich nur wegen dem Baldrian. Nichts in der Welt ist erniedrigender als der Anblck eines Katers im Baldrian-Rausch. Und ich wußte, daß das verdammte Zeug bald fällig war. Wahrscheinlich auf dem nächsten Rastplatz.

Haben Sie schon einmal versucht, mitten auf der AVUS in einem pacificblauen 1972er Mercury-Cabriolet bei 230 Sachen einen (b)rauchharen Joint zu drehen? Fünfmal ging´s schief, und was von den Krümelchen nicht vom Fahrtwind mitgenommen wurde, landete auf der Fußmatte unseres kräftigen und geschmeidigen VVVVVVehikels, das schnurrend und surrend dem Westen entgegen jagte. Beim sechsten Versuch hatte ich´s geschafft.

Es war fast Mittag, und 500 harte Kilometer lagen vor uns. Sehr bald würden wir alle völlig weggetreten sein, aber es gab kein zurück, keine Zeit zum Ausruhen, wir mußten fahren bis zum Ende, der Bruderschaft der Kater entgegen, die mich sehnlichst erwartete, den überall geschätzten Katerberater.

Auf dem Berliner Ring begannen die Drogen zu wirken. Der Himmel war so blau, balu, und die Sonne stach mir auf´s Hirn, und über uns begann sich allerhand zusammenzubrauen… Riesige Monstren, Hydropsyche, Rhyacophila und Polycentropidae, tanzten über der Havel einen teuflischen Reigen. Andere finstere Gesellen fanden dazu, und es erschien so als sei der Tag der apokalyptischen Reiter gekommen.

Scratchy hatte die erste Rutsche Bier (und anderes) erbrochen, er rieb sich den sinistren Saft in sein Brustfell hinein, („Macht die Haare geschmeidig!“). Magdeburg, Braunschweig wurden von diesen Insekten zerquetscht und fortgerissen, Hannover erhob sich träge aus seiner gewohnten Position und schwebte, feurige Spiralen bildend, surrend
und flurrend dem Horizont entgegen, um an der Porta Westfalica leise zu zerplatzen.

Ein großes Stück Löschpapier biß ich mir ab und spülte das Ganze mit ein, zwei, drei Schulli hinunter. Carlo fingerte an seinem Salzstreuer herum und verlor, als er einem LKW auswich und dabei eine Mercedes-Limousine über den Mittelstreifen in den Gegenverkehr abdrängte, einen ganzen Schwall seines kostbaren Naschpulvers an den Fahrtwind und begann zu fluchen und zu klagen. „Um Himmels Willen,“ schrie er und biß
dabei fast in´s Lenkrad, „jetzt schau einmal, was Gott uns angetan!“

„Daran bist Du selber schuld, Du hirnverbranntes Arschgesicht,“ erwiderte ich, „und entweder bist Du ein totaler Tölpel oder ein gottverdammter Agent des Drogendezernates!“

„Nimm Dich in acht“, sagte er, und plötlich zielte er mit einer 357er Magnum auf mich. Er schrie:

„Liebling, der Kaffee ist längst fertig. Wenn Du Dich jetzt nicht beeilst, wirst Du Deinen Zug noch verpassen!“

… flötete aus der Küche die Stimme der Frau meines Vertrauens herüber. Erwachend rieb ich mir die Äugelein und begann zu ahnen: Der Tag der Abreise hatte begonnen…

gez. Murr.
(Der Kater mit „den vier Buchstaben“.)

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22 Kommentare zu Die Bruderschaft der Kater (2): Die Abreise…

  1. deleted user sagt:

    hahaha B R Ü L L L L E E R R !!!!!
    weiter.. mehr… mehr…

  2. NetRat_WTX sagt:

    Wow! Solche Träume nur von „Schlafen“? :))

  3. Trithemius sagt:

    Herrlich, das ist ja wohl die schärfste Katersause, von der ich je gehört habe bzw. gölösen habe. Gut, dass die Frau Ihres Vertrauens just bei der Porta Westfalica eingegriffen hat. Und falls hier Kinder mitlesen: Tritheminsulfid gilt nicht als Rauschmittel. Man findet es vorwiegend gebunden in Katzengold 😉

  4. theobromina sagt:

    Na klar, jetzt weiß ich auch, woher die Aussage: „Mir is‘ irnwie total schulli…“ kommt! :))

    Geht’s noch weiter? Büttöööh… *augenklimper*

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