Die Rutschbahn der Poesie

„Ja, ja, der gute Murr, er ist schon einer von den hellen Sternen am Firmament der nachtsichtigen Litteraturgemeinschaft, und täglich bereichert er ungewollt und ungefragt die WWWelt mit poetischen Ergüssen der feinsinnigsten Machart.

So raunt es neidvoll-heimlich durch die Welt des Internetzes, die Zahl der Bewunderer, Verehrer und Freunde steigt indessen ständig, und das ist nur angemessen, denn seien wir mal ehrlich: Was wäre denn die Welt, könnte sie sich nicht alle Tage an der eingängigen, geschmeidigen Wort- und Reimkunst des genialen Katers erfreuen?

Solche Kunst indessen fällt nicht vom Himmel, sie mußte mühevoll errungen werden; und aller Kampf wäre vergebens, konnte sie sich nicht schon von früher Kindheit an auf dem Humus einer erlesenen Herzensbildung heranbilden.

Solche und andere Gedanken schossen mir in den Kopf, befreiten mich kurzzeitig von einem lästigen Ohrwurm, der seit Tagen mein Hirn erweichte, als ich letztens auf dem Flohmarkt den Stand eines ambulanten Antiquars erblickte; Unter den Scharteken auf seinem Tische fand sich ein ansprechender Titel, und es war, ich glaubte es kaum, konnte es nicht fassen und rieb meine Äuglein vor Verwunderung: das Versbuch meiner Kindheit,
„Die Rutschbahn“

Rutsch

geheißen und leider längst nicht mehr in meinem Besitze gewesen.
Nun, als der Buchhändler einmal kurz beherzt sein Butterbrot bebiß, da konnte ich das Büchlein packen und flugs nach hause tragen…

Oh wonnevolles Wiedersehen! Wundersam weiche Wortgebilde wanderten wieselflink werbend wohin: in mein empfängliches, begierig alles aufsaugende Katzenhirn, und wie ungeahnte Boten aus längst vergangenen Tagen erklangen zart und unschuldig die Erinnerungen an die poetischen Wonnen meiner Kindertage, den Tönen einer mentalen Äolsharfe gleich, vom Winde der Gedanken an die Windungen und Falten meines so glücklich gut gebauten Gehirns getragen.
Dem verehrten Publikum sei auch gleich gern ein Pröbchen aus dem unermeßlichen Fundus dieses just gehobenen Schatzes dargeboten:

Dunkel war´s, der Mond schien helle,
Schnee lag auf der Sommerflur,
als ein Wagen blitzeschnelle
langsam um die Ecke fuhr.

Drinnen saßen stehend Leute,
schweigend in´s Gespräch vertieft,
als ein totgeschoss´ner Hase
auf dem Bahndamm Schlittschuh lief.

Und ein blondgelockter Jüngling
mit kohlrabenschwarzem Haar
saß auf einer grünen Holzbank,
die gelb angestrichen war.

Neben ihm ´ne alte Schrulle,
zählte kaum erst sechzehn Jahr,
und die aß die Butterstulle,
die mit Schmalz bestrichen war.

Droben auf dem Apfelbaume,
der sehr süße Birnen trug,
hing auch eine dicke Pflaume
und an Nüssen noch genug.

Unten auf den obern Spitzen
schrieen zwei alte Esel: muuh!
Seh nur einen oben sitzen,
und der zweite, der bist – – du!

Und nun sagt selbst, geschätzte Freunde, ist das nicht die „wa(h)re“ Kunst? Ein Wort noch an all die lästigen Mücklein unter Euch, die mich gern mit ungefragter Beratschlagung stechen wollen:

Nein, der wack´re Murr, er ist kein (Bücher-)Dieb, das hat ein gelehrter, muntrer Mann des Jus herausgefunden…

Zum Schluß noch ein Gruß an alle neuen Freunde im www. von ihrem von ihnen so gern gehabten, so hoch geschätzten

Murr.
(Homme des lettres tres renommee.)

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13 Kommentare zu Die Rutschbahn der Poesie

  1. theobromina sagt:

    Ja, ich schätze, Du bist vielleicht ungefähr eventuell so circa 30 Zentimeter hoch? ;D

    Mmmpf, mhecker, wo’ne Bupperfmalzspulle (auch schon mal Fettbemme genannt)!

    Kraulige Zurückgrüße,
    Theobromina

  2. Trithemius sagt:

    Werter Kater Murr,

    selten liest man so fein gesetzte Worte, erst recht von einem Kater. Doch Ihr scheint dem satirischen Roman des E.T.A. Hoffman direkt entsprungen zu sein. Es hat Euch bald 200 Jahre in die Zukunft verschlagen, und doch findet Ihr Euch schon aufs Beste zurecht. Man weiß ja, dass Katzen gern herumstreifen, und so werdet auch Ihr es wohl halten. Doch ich darf der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass Ihr genug leibliche wie geistige Nahrung auf dieser Plattform findet und uns als Gegenleistung mit Eurer Anwesenheit erfreut.

    Das wünscht sich nicht nur,
    Ihr Trittenheim

  3. Juleika sagt:

    Hm ich hatte das Buch mit der für mich wunderschönen und überaus reichhaltigen schwarz-orange Bebilderung schon so oft in den Händen, hab das Gedicht gelesen …

    Und eben erst wahrgenommen dass ICH darin vorkomme.
    Hab dank für den Hinweis!

    *Dich dafür hinter den Ohren kraule*
    Juleika

    • KaterMurr sagt:

      Das habe ich gleich geahnt und vorausgesetzt, daß Sie eine Dame mit tadelloser Bildung sind. Aber daß auch sie dieses überaus seltene Werk kennen, ist Überraschung und Freude in Einem. So haben wir wohl viel mehr verbindendes als die meisten Menschen: Das zarte Band der Poesie…

  4. Jurist sagt:

    Schön geschrieben…Als Kind mochte ich immer die kleine „Raube Nimmersatt“ und die Reihe, „Meine Schwester Klara und ich“.

    • KaterMurr sagt:

      Und was ist mit dem vermeintlichen „Diebstahl“?

      • Jurist sagt:

        § 248a StGB: Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen

        „Der Diebstahl und die Unterschlagung geringwertiger Sachen werden in den Fällen der §§ 242 und 246 nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.“

        Sowas wird von den Strafverfolgungsbehörden in der Regel fallen gelassen! Mal abgesehen davon: Selbst Schuld, wer so ein tolles Buch unbeaufsichtigt lässt 😉

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